Khulna Division
20. Februar 2013Von Indien nach Bangladesh – Mit dem Zug ging es in den nächstgelegensten Grenzort und von dort vollends mit dem TukTuk an die Grenze, die wir dann zu Fuss überqueren mussten. Dabei war der indische Zoll, der wohl chaotischste und planloseste, den wir auf unserer Reise bisher gesehen haben. Schilder gab es an keinem der abbruchreif aussehenden Gebäuden, für die Beamten hat es nicht mal für Uniformen gereicht, das Passlesegerät hat wohl während seiner Amtszeit noch nie einen Pass gelesen und der Gepäckdurchleuchtungs-Apparat war unter einer zentimeterdicken Staubschicht begraben. Wir wollten nur einen Ausreisestempel aus Indien und einen Einreisestempel für Bangladesh, was wir dann letztendlich auch recht problemlos bekamen und sind mit dem Bus gleich weiter bis nach Jessore gefahren.
In Jessore sind wir abends auf der Strasse einem französischen Pärchen begegnet. Da es hier nicht gerade an Touristen und Weissen wimmelt, sind wir schnell ins Gespräch gekommen. Die beiden wollten eigentlich nur von Frankreich aus mit dem Fahrrad nach Istanbul fahren – was sie auch gemacht haben, sind dann aber anschliessend noch weiter durch den Iran, Dubai und von Indien nach Bangladesh geradelt. Dies sollte nicht der letzte Abend gewesen sein, an dem wir Marie und Pierre begegnen. http://paristanbul2012.blogspot.com
Im Hotel uns gerade schlafbereit ins Bett gelegt, als das grosse Krabbeln anfing. BEDBUGS – again! Nach vier Zimmerwechsel schien es, als hätten wir endlich ein Wanzenfreies Bett gefunden, doch im Hinterkopf, dass das halbe Hotel verseucht ist, liess uns dann doch nicht ganz so entspannt schlafen.
Am nächsten Morgen wollten wir gleich weiter mit dem Bus nach Khulna. Am Busbahnhof angekommen, wurde uns mit Händen und Füssen verständlich gemacht, dass heute keine Busse fahren (Generalstreik), aber wohl ein Zug. Also hat uns unser TukTuk-Fahrer zum Bahnhof gefahren und wir haben uns dort ein Zugticket gekauft. Während wir auf den sich verspätenden Zug gewartet haben, waren wir die Sensation des Bahnsteigs. Von Indien eigentlich schon gewohnt angestarrt zu werden, war dies nochmals eine andere Liga und übertraf alles Bisherige. Umringt von ca. 40 Menschen, die uns mit offenen Mündern voll Faszination anstarrten, da wir für viele die ersten Weissen waren, die sie in ihrem Leben sahen. Irgendwann wurden wir von einem jungen Bengalen auf gutem Englisch angesprochen, ob er uns helfen kann und wenn wir irgendwelche Probleme haben, sollen wir uns einfach an ihn wenden. Uns anzusprechen muss ihn wohl unglaublichen Mut gekostet haben und die paar Minuten während des Gesprächs floss ihm der Schweiss in Strömen übers Gesicht und seine Hände zitterten vor lauter Aufregung. Nachdem er sich unser Ticket, das für uns nur aus unleserlichen Schriftzeichen bestand, angeschaut und festgestellt hatte, dass wir ja gar keine Sitzplätze haben, meinte er, wir sollen, sobald der Zug kommt, einfach mit ihm mitkommen. So bestand er letztendlich darauf, dass wir uns auf seinen Sitzplatz setzen und er hat sich zu irgendjemand dazu gequetscht – Widerrede unsererseits aussichtslos. Doch alleine beim Sitzplatzorganisieren sollte es nicht bleiben. Da es für Ausländer etwas umständlich ist, eine bangladeschische SIM-Karte fürs Handy zu bekommen, hat er uns diese auch noch gleich auf seinen Namen für den nächsten Tag organisiert, wobei wir echt darauf bestehen mussten, dass er das für uns ausgelegte Geld annimmt. Abends sind wir zusammen mit George, so heisst unser bengalischer Freund zum „Highlight von Khulna“ gefahren. Das Highlight entpuppte sich als Betonbrücke mit Strassenbeleuchtung, was hier in Bangladesh eine absolute Besonderheit ist, vor allem die Beleuchtung. So treffen sich hier abends Pärchen, oder die Bevölkerung aus umliegenden Dörfern und kommen hier her um sich die Luft auf der Brücke um die Nase wehen zu lassen, weswegen sie auch Breeze genannt wird. Für uns Selbstverständlichkeiten sind in diesem armen Land noch absolute Ausnahmen, wie eben eine ganz normale Brückenbeleuchtung. Naja, der Fluss, der unten durchfloss war schon gigantisch – dachten wir! Er war auf jeden Fall breiter wie der Rhein in Deutschland an seiner breitesten Stelle, doch mussten wir erfahren, dass dieser Fluss ein kleiner sei und noch nicht einmal zu den fünf grössten von Bangladesh zählt.
Am nächsten Morgen haben wir eine 3-tages Tour durch die Sunderbans (der weltweit grösste Mangroven-Wald im Flussdelta von Ganges und Brahmaputra) gebucht und sind den Rest des Tages durch Khulna geschlendert bis es abends auf’s Schiff ging. Am Ufer haben wir ein paar Männer beim Abladen eines Schiffs beobachtet. Die Männer haben sich bis zu 16 Ziegelsteine auf den Kopf gelegt bzw. geworfen und haben diese über ein schmales Brett ans Ufer balanciert um sie dort auf einen Haufen zu werfen > Wahnsinn! Beim weiteren Laufen durch die Gassen sind wir mehrmals zu einem Tee eingeladen worden oder wurden aus irgendeinem Vorwand von uniformierten Menschen in ihr “Büro“ gerufen nur um in ein Gespräch verwickelt zu werden. Nachmittags haben wir uns nochmal mit George getroffen und er hat uns das christliche Kranken- und Waisenhaus gezeigt. Die hauptsächlich von Spenden finanzierte Anlage versucht so autark wie möglich zu leben; so haben sie in ihrem Innenhof einen grossen Gemüsegarten und die eigene Kuh produziert Milch und Brennmaterial (wie auch in Indien wird die Kuhscheisse getrocknet und vergleichbar mit Kohle als Brennzusatz verwendet). Im zwei Monats Rhythmus kommen Ärzte aus Europa, die für diese Zeit einen freiwilligen Dienst leisten und die Menschen behandeln. Sehr zu Herzen ging uns auch der Besuch des Waisenhauses, wenn man die einzelnen Schicksale der noch ganz jungen Erdenbürger erfährt.
Mit den ganzen Eindrücken des Tages, ging es abends für die Nacht aufs Schiff, wo wir Marie & Pierre wiedergetroffen haben, die dieselbe Tour gebucht hatten. Nach einer durchwachsenen Nacht an Bord (der Schiffsmotor wurde wohl die ganze Nacht repariert) sind wir morgens um 6:00Uhr in das weltweit grösste Flussdelta losgeschippert. Bei der Einführungsrunde im Aufenthaltsraum bei der sich jeder Vorstellen durfte, haben wir sofort ein Phänomen festgestellt, dass uns den restlichen Bangladesh-Aufenthalt noch weiter verfolgen sollte. Von den ca. 30 Mitreisenden waren gerade mal 7 Touristen, die Restlichen arbeiteten auf irgendeine Weise in Bangladesh – bei Hilfsorganisationen oder Internationalen Firmen. So wurden wir auch ständig gefragt wo wir den Arbeiten, und die Aussage dass wir Touristen sind, stiess bei vielen Menschen auf Unglauben. Die allgemeine Meinung von Bangladeshis ist, dass Weisse zum Arbeiten in ihr Land kommen – nicht als Tourist. Grosse erfreute Augen sieht man wenn man mit Nachdruck bestätigt, dass man tatsächlich “nur“ als Tourist in ihrem Land ist, um sich dieses freiwillig anzuschauen.
Die drei Tage waren wunderschön und unglaublich entspannend. Zwischen faszinierenden Gesprächen und Diskussionen sind wir immer wieder an Land auf der Suche nach dem bengalischen Tiger, auch „the man-eating Tiger“ genannt, da er wohl jährlich ca. 120 Menschen verspeist. Bis auf einen Tatzen Abdruck im Schlamm haben wir leider nichts von ihm gesehen. Dafür hatten wir eine Begegnung mit einem riesigen Krokodil, Delfinen, Kingfishern und vielen Rehen und Wildschweinen. Besonders viel Spass hatten wir bei einem der Landgänge, als es hiess, es wird ein bisschen „muddy“. Naja, ein bisschen war ein bisschen untertrieben, den wir standen bis zu den Knien im Matsch und da Schlamm ja bekanntlich gut sein soll für die Haupt, haben wir uns das Zeug auch noch gleich ins Gesicht geschmiert. Auf dem Rückweg nach Khulna haben wir noch bei einem Fischerdorf angelegt, was uns einen unglaublich beeindruckenden Einblick in das Dorfleben gab. Es war erst das zweite Mal das die Bootstour hier stopp macht und entsprechend waren die Reaktionen der Bewohner. Neugierig, skeptisch, ängstlich – manche wollten nicht, aber manche wollten ausdrücklich fotografiert werden. Wir haben schnell bemerkt, dass in Bangladesh die Highlights nicht von Menschenhand gebaute Monumente sind, sondern die Natur und vor allem die Menschen an sich!
Mit Matt einem Amerikaner den wir auf der Tour kennengelernt haben (und mit seiner 10.000USD +PLUS Fotoausrüstung) sind wir die nächsten paar Tage weitergereist. Von Khulna aus haben wir zunächst noch einen Tagesausflug nach Bagerhat gemacht. Mit dem Bus sind wir 3 Stunden zu der fast 600 Jahre alten “60 Domes“ Moscheen gefahren (wie in Indien gab’s hier natürlich auch wieder das ein oder andere Gruppenfoto), und dann zu Fuss weiter zu einem der eher skurrilen Highlights von Bagarhat – dem angeblich über 100 Jahre alten Krokodil. Das träge und wohl-gefütterte Reptil ist zu einer wahren Attraktion geworden, soll es doch Glück bringen das Krokodil zu streicheln (OK – man könnte auch sagen, wer das Krokodil gestreichelt hat und noch am Leben ist hatte wirklich Glück). Um zu testen wie hungrig das Tier ist bekommt es zuerst was zu fressen vorgeworfen – in unserem Fall ein lebendiges Huhn. Wenn sich das Krokodil nicht bewegt können die Freiwilligen sich von hinten nähern und ihr Glück herausfordern. Uns war das etwas zu suspekt und zudem war unser amerikanischer Freund eher der “Hurry“ Typ – sprich knips knips Bilder machen und zum nächsten Spot hetzen. Dieser war dann einer der wenigen Hindu-Tempel des Landes. Aber mal wieder war nicht das Bauwerk das Besondere, sondern unser unverhoffter Besuch in einer Schule. Zufällig und von den Kindern entdeckt und umringt sind wir auf die Spielwiese der Schule gestolpert und fanden uns umgehend im Lehrerzimmer wieder. Matt hatte es leider wieder eilig und so konnten wir die Einladung zum Tee nicht annehmen. Mit ein paar geschenkten Früchte und eine Kinder-Eskorte zurück zu unserem TukTuk und später mit dem Bus zurück nach Khulna. Die nächsten zwei Tage sind wir dann mit Matt bis nach Chittagong gefahren und bei unserem Zwischenstopp in Barisal haben wir auch Marie & Pierre, unsere Fahrrad-Franzosen wieder getroffen.
Letzte Kommentare