West Sikkim
13. Juni 2013Sikkim ist mit 65km x 115km nach Goa der zweit kleinste indische Bundesstaat, der im Hochhimalaya liegt und von Nepal, Tibet und Bhutan umschlossen wird. Die Landschaft erstreckt sich von nahezu Meereshöhe bis auf 8586 Meter, dem Kanchenjunga, dritthöchster Berg der Welt. Auf Grund der schlechten und zum Teil auch sehr steilen Strassen, gibt es in Sikkim kaum Busse. So wird der gesamte öffentliche Verkehr mit sogenannten „Shared Jeeps“ abgewickelt. Von Darjeeling ging es für uns erst einmal nach Jorethang, der Hauptverkehrsknotenpunkt in Süd-Sikkim. Von dort aus, werden fast alle Städte angefahren, weswegen es ein 4 stöckiges Jeep-Parkhaus gibt, allerdings mit recht spärlicher Beschriftung. Unser Ticket, einzig mit der Autonummer in der Hand, sind wir durch die verschiedenen Ebenen geirrt, um aus den über hundert Jeeps, den richtigen nach Pelling ausfindig zu machen. Der Fahrpreis ist fix und richtet sich nach der Anzahl der Kilometer. Losgefahren wird, wenn der Jeep voll ist, also mindestens 10 Personen + Fahrer. Während wir darauf gewartet haben, dass sich unser Jeep füllt, kam ein Sikkimese vorbei, um uns die Hand zu schütteln, und da er uns ganz toll fand, hat sich das Ganze bestimmt fünf Mal wiederholt. Nachdem er noch gefragt hat, ob er einen Schluck Wasser von unserer Flasche haben kann, ist er verschwunden, doch kam kurz darauf freudenstrahlend wieder zurück und hat uns eine Tüte in die Hand gedrückt, und war dann auch schon wieder weg. In der Tüte waren super leckere Trauben, die er wohl beim Markt nebenan noch kurz für uns gekauft hatte.
Pelling ist der Ort, von dem aus man einen perfekten Blick auf das Dach der Welt mit seinen schneebedeckten Bergen hat, vorausgesetzt, sie verstecken sich nicht hinter den Wolken, wie es bei uns leider die ganze Zeit der Fall war. Der kleine Ort an sich ist nicht besonders schön, da er fast ausschliesslich aus Hotels besteht. Der Grund sind zum Glück nicht die wenigen westlichen Touristen die zum Trekken und wegen der Natur hier her kommen, sondern die indische Mittelschicht die es sich leisten kann im eigenen Land Urlaub zu machen, und diesen gerne während des Sommers im kühlen Hochland verbringt. Und so ist Sikkim wie auch Darjeeling bevölkert von indischen Familien mit dicken Kindern. Doch keine Angst – ein Inder würde nie einen Ort besuchen der nicht direkt mit dem Auto anfahrbar ist, und so beschränken sich die Aktivitäten der Einheimischen auf organisierte all-inklusiv Jeep-Rundfahrten. Wir haben uns dagegen in unserer Unterkunft über Trekking-Möglichkeiten erkundigt und uns für einen Viertages-Trip mit 3 Übernachtungen entschieden. Bevor es los ging haben wir uns noch das wunderschöne in Laufdistanz liegende Pemayangtse Kloster angeschaut und auf dem Rückweg nach Pelling an der leckeren Lotus Bäckerei einen Stopp eingelegt, die mit ihrem Erlös die Dorf Tribal-Schule unterstützt.
Wegen den Touristen gibt es hier auch ein wunderbares südindisches Restaurant mit ganz vielen leckeren und günstigen Dosas, und so waren wir die zwei Tage jeweils zum Mittag- und Abendessen dort. Hier haben wir auch Matt & Siddharth wieder getroffen. Die zwei (Siddharth ist Inder und Architekt & Matt Amerikaner und IT-Spezialist) kennen sich beruflich von einem spannenden Projekt, das Indern in ländlichen Gegenden wieder die traditionelle Bauweise mit Mauerwerk und Satteldach auf ökologische und ökonomische Weise näher bringt – sonst setzt der Inder gerne auf Beton, was für ihn für Beständigkeit steht. Matt hat hierbei Satellitenbilder ausgewertet um Bestandsbauten zu kategorisieren und Baustrukturen zu analysieren. Jedenfalls haben sich die zwei die wir aus Darjeeling kennen zwei Royal Enfields ausgeliehen um 6 Tage durch Sikkim zu fahren. Und da die zwei wie wir auch vor hatten zum Khecheopalri Lake zu gehen, bekamen wir von Siddharth gleich noch einen indischen Homestay-Geheimtipp.
Nur das nötigste gepackt, ging es am nächsten Morgen los mit der ersten Etappe. Da die Shared Jeeps erst gegen Nachmittag fahren, hatten wir uns dazu entschieden, den geringen Aufpreis zu bezahlen und mit einer Touri-Tour mitzufahren und am Khecheopalri Lake dann auszusteigen. So kamen wir noch in den Genuss des absolut extrem UNspektakulären Rimbi Rock Garden – eine Wiese an einem Fluss, auf der ein paar unsensationelle Steinbrocken rumliegen – aber die Inder stehen total drauf! Nach einem weiteren Stopp an einem Wasserfall ging es zum Highlight der Touri-Tour und unser Ausstiegsort – der Khecheopalri Lake. Ein See, der von oben gesehen, wie ein Fussabdruck aussieht, laut Legende wohl der Fussabdruck von Tara Jetsun Dolma und sowohl für Hindus, als auch Buddhisten als heiliger Wunscherfüllungssee gilt.
Am Polizei-Posten haben wir uns informiert wo es zu Pala’s Homestay geht, und uns wurde ein kleiner Pfad steil hoch in den Wald gezeigt. Na gut – dann laufen wir mal los. Nach 30min über einen extrem rutschigen und schmalen Weg sind wir auf dem Bergkamm angekommen. “Ich glaub wir sind im Paradies gelandet, so schön ist es hier!“ Oben auf einer Lichtung mit einem 270° Panoramablick liegt das kleine Dorf auf 2150m, dass aus ca. 10 Häuser besteht, und wie wir später mitbekamen ist dies der einzige Weg hier hoch. Das heisst, keine Autos, kein gehupe, nur einfache Unterkünfte in der Idylle und der Ruf des Hahnes.
Pala ist der Dorfälteste, ca. 85 Jahre alt (er weiss es nicht so genau) und war früher als Gurkha (so was wie Himalaya-Armee-Eliteeinheits-Kämpfer) schon viel in Asien unterwegs. Sein Sohn Sonam hat neben an auch einen Homestay, und da es hier sogar etwas gemütlicher aussieht haben wir uns zunächst für eine Nacht angemeldet. Man bezahlt 400Rupies (ca. 5.30EUR) für die Unterkunft inkl. 3 Mahlzeiten und Wasser & Tee so viel man will. Ein Traum!!! Meistens gibt es Strom, das Wasser kommt aus einem Brunnen, die Toilette ist natürlich ein Steh-Plumpsklo und geduscht wird mit heiss-wasser-Eimern. Die Familie hat 4 wunderbare Kinder, Käse und Butter wird aus eigener Kuhmilch selbst zubereitet, und auch nahezu das ganze Gemüse kommt aus eigenem Anbau. Gerade richtig gab’s zum Mittagessen auch gleich lecker von der Mutter selbstgemachte Momos. Und so haben wir die Abgeschiedenheit genossen, und aus einer Nacht wurden schnell vier!
Alkohol wird im Gegensatz zum Rest von Indien hier sehr gerne getrunken, und deshalb gibt es hier auch einige kleine Brauereien mit gutem Bier. Das Beste ist jedoch der Rum aus Sikkim – einer der Besten den wir je getrunken haben. Und eine Flasche kostet nur knapp über 2 Euro. Traditionell gibt es hier auch das sogenannte Tomba-Bier, dieses wird aus fermentierter Hirse hergestellt und frisch aufgesetzt aus einem Bambusrohr getrunken.
Leider hat seit ein paar Wochen die Regenzeit begonnen und es ist meistens wolkig, so fiel der Blick auf das Schnee bedeckte Dach der Welt eher spärlich aus. Trotzdem hat sich die kleine Tageswanderung zum View Point auf der anderen Seite des Sees gelohnt, da man von hier aus zumindest den Fussabdruck wunderbar erkennen kann. Doch eines Morgens um 5:00 Uhr hatten wir dann tatsächlich kurz freie Sicht auf einen der mächtigen Berge – den Pandim, 6691m hoch. Aber da wir eigentlich nur für 3 Übernachtungen gepackt hatten, und wir in unseren kleinen Tagesrucksäcken nicht einmal gross Wäsche zum Wechseln hatten, sind wir nach einigen Tagen schweren Herzens los zum geplanten Trek nach Yuksom.
Der schmale Weg ging hinab ins Tal, über alte Brücken, vorbei an Wasserfällen und an einsamen Häusern. Das letzte Stück sind wir die Strasse entlang gelaufen, und nach einem kurzen Regenstopp an einer Überdachung sind wir nach 7 Stunden in Yuksom angekommen. Bekannt ist der kleine Ort durch das Dubdi Kloster (das älteste in Sikkim), und weil er früher einmal die erste Hauptstadt des ehemaligen Königreichs war. Zudem ist hier der Startpunkt des Dzongi-Treks, der 7 Tage lang durch die Täler hinauf bis nach Goecha La (4940m) führt von wo aus man einen fantastischen Blick auf die Kanchenjunga-Gruppe (8596m) hat und nur noch 10km vom dritthöchsten Berg der Welt entfernt ist. Der Trek war für uns (mittlerweile indisch-untrainierte Weltenbummler ohne Muskulatur) etwas to-much, doch sind wir am nächsten Tag hoch zum alten Dubdi Kloster, und über ein wunderbar grünes Tal und das kleine Örtchen Tshong wieder zurück nach Yuksom. Am darauffolgenden Tag stand dann die längste Etappe an – die 22km bis nach Tashiding.
Früh morgens vor der Hitze sind wir bei strahlendem Sonnenschein los, wieder durch wunderschöne kleine Seitentäler, über Gebirgsbäche bis zum Hongli Kloster. Danke unseren Entkeimungstabletten und einem Baumwollstoff als Filter konnten wir uns auf dem Weg mit Trinkwasser versorgen. Vom Hongli Kloster hat man einen atemberaubenden Blick in die Täler und über die Berge (das die Mönche aber auch immer an den abgelegensten Orten ihre Klöster bauen müssen). Weiter Richtung Sinon Kloster – dort angekommen hatten wir bereits den Blick auf Tashiding, aber wo geht’s den Berg runter? Ein netter Taxifahrer hat uns dann ein Stück bis zu einer Kreuzung mitgenommen, und uns den Fussweg hinunter in den Ort gezeigt. Er hat sich dann noch bei uns entschuldigt das er uns nicht das ganze Stück fahren kann, da er eigentlich gerade betrunken sei – das wiederum aber in Sikkim auch völlig normal ist. Extrem steil und über mal wieder viel zu viele Stufen ging’s runter nach Tashiding. Wir haben eine nette Unterkunft gefunden und uns sogleich ins Restaurant gesetzt und völlig verhungert Mittag- und Abendessen zugleich eingenommen. Der 10-Stunden-Marsch war schon sehr kräftezehrend.
Am nächsten Tag sind wir zurück nach Pelling ins Hotel und haben es genossen nach 7 Tagen mal wieder heiss zu duschen und in frische Klamotten zu schlüpfen. Eigentlich haben wir uns auf dem Weg bereits entschieden noch mal zu Sonam’s Homestay am Khecheopalri Lake zu gehen, und so haben wir die zwei Tage in Pelling genutzt unsere Permit für Sikkim zu verlängern, Wäsche zu waschen, Rum (für uns) und ein paar Geschenke für die Kinder (Fussball, Kuscheltier, …) einzukaufen, und ich hatte sogar noch das Glück mir die Wiederholung des Champions League Finales im Hotel anschauen zu können.
Vorbereitet und diesmal mit unserem ganzen Gepäck sind wir nach zwei Tagen wieder ins Paradies gezogen. Daisy war der Aufstieg mit dem ganzen Gepäck etwas zu heftig, und so haben wir unten im Ort einen Sherpa organisiert der ihr Gepäck nach oben trägt, für gerade einmal 100Rs (1,30Euro). Oben wurden wir freudenstrahlend empfangen, und auch Paul aus England, und Francisca & Josefa aus Chile waren immer noch da. Und so haben wir dann weitere 9 wundervolle Tage hier oben verbracht, haben mit den Kindern gespielt, beim Kochen geholfen, mit dem guten Schweizer Sackmesser und dem hier überall wachsenden Bambus diverses nützes oder unnützes Zeug gebastelt, oder eben einfach nur relaxt, durch stundenlanges in-die-Ferne-Schauen. In dem Ort gibt es auch ein kleines Kloster mit einer Schule, und so laufen jeden Morgen die kleinen Mönche an einem vorbei zum Unterricht. Ein wunderschönes Fleckchen Erde – einfach schön! Einziger Nachteil im Paradies – Daisy hat sich mal wieder kleine Haustierchen eingefangen. Diesmal jedoch keine Bedbugs sondern Flöhe die öfters für juckende Pusteln gesorgt haben.
Paul ist schon etwas früher abgereist, und so sind wir mit den zwei chilenischen Mädels nach wie gesagt 9 Tagen Richtung Gangtok – Sikkim’s Hauptstadt – weiter. Schweren Herzens sind wir los und haben uns von der Familie verabschiedet. Nach so einem Aufenthalt hatte sich doch ein super Vertrauensverhältnis eingestellt, so dass die Kiddis auch alle früh morgens aufgestanden sind, um uns hinterherzuwinken.
Little paradise – we will come again!
Euer Paradies hört sich unglaublich gut an! Ich kann es mir gut vorstellen und vermisse es ohne dort gewesen zu sein…