Pushkar
24. Juli 2013Von Jaipur ging es mit dem Bus bis nach Ajmer, wo wir in einen ziemlich überfüllten Bus umsteigen mussten. Deswegen hiess es auch Gepäck ab aufs Dach, was normalerweise zum Job des Ticketkassierer, der in jedem Bus mitfährt, gehört. Doch dieser hatte keine Lust, also musste Joga selbst aufs Dach klettern. In Pushkar angekommen durfte er dann gleich nochmal hochklettern und unser Zeug wieder runterholen. Eigentlich kein Problem, wäre der Kassierer nicht so ein Arschloch gewesen. Denn noch einer seiner Aufgaben ist es, dem Busfahrer, meist per Klopfzeichen zu signalisieren, wann er weiterfahren kann. Unser Gepäck war zwar unten, doch Joga noch auf dem Dach, als der Bus sich wieder in Bewegung setzte, was dazu geführt hat, dass er sich den Fuss in der Reling eingeklemmt hat. Unser wütendes Gebrüll hat den Bus genau solange stoppen lassen, das Joga wenigstens runterhüpfen konnte. Wenigstens konnten wir gleich unser neu erlerntes Hindi-Schimpfwort „Bakara chod – goat fucker“ anwenden ;-), jaja die bösen Sachen lernt man immer gleich! Und dann kam gleich das nächste Ärgernis – nervige Hotelschlepper, die nur auf Weisshäutige Kundschaft gewartet hatten.
Trotz schlechtem Start schien es, dass wir mal wieder zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Denn in zwei Tagen ist Vollmond und an Vollmond zieht es tausende von Pilger nach Pushkar. Das kleine Städtchen liegt an einem für die Inder sehr heiligen See, der laut Legende folgendermassen entstand. Der Schöpfergott Brahman lief einst mit einer Lotusblüte in der Hand durch die Wüste. Als drei der Blütenblätter auf den trockenen Boden fielen, entstanden drei Seen, unter anderem der Pushkar-See. Dem See werden nun heilige Kräfte nachgesagt, so dass ein Tauchbad im See die Gläubigen von all ihren Sünden reinwäscht, allerdings nur bei Vollmond. Besonders “sauber“ wird man wohl zu Vollmond im November, was zur Folge hat, dass sich zur selben Zeit der weltweit grösste Kamelmarkt mit über 150.000 Kamelhändlern entwickelte.
Doch auch so füllten sich die Strassen und Gassen mit unzähligen Pilgern, die im Laufe des Tages ein rituelles Bad vollführen wollten. Der See ist insgesamt von 52 Ghats (Treppen) gesäumt, zum Teil mit eigenem Wasserbecken, da sich jeder Maharadscha ein Stückchen am See gesichert und sein eigenes Ghat samt Ferienhaus erbaut hatte. Das als Main Ghat bezeichnete Gau Ghat, ist die Stätte, an der unter anderem die Asche Mahatma Gandhis in den See gestreut wurde.
Auch wir wollten uns das heutige Treiben nicht entgehen lassen und haben uns ein diskretes Plätzchen zur Beobachtung der Gläubigen gesucht. Auffällig war, dass ca. 90% der Pilger Frauen waren, die ihre Sündenreinwaschung vollzogen hatten. Rajasthanische Frauen tragen hauptsächlich Gewänder und Saris in leuchtendem Pink, Gelb, Orange oder Rot, was wohl die jeweilige Kastenzugehörigkeit symbolisiert, so dass sich die ganzen Ghats in ein wunderschönes unglaublich buntes Farbenmeer verwandelten. Für die Durchführung des rituellen Bades steigen die Frauen komplett bekleidet in den See, um diese danach gegen trockene Kleidung zu tauschen. Was hierbei ebenfalls sehr auffällig war, dass sie dies ohne Scham und grosse Verhüllungsversuche machten, ein absolutes Novum, im sonst unglaublich prüden und verklemmten Indien. So ist es beispielsweise keine Seltenheit, dass ein Ehemann seine Gattin ein Leben lang nie vollständig unbekleidet zu Gesicht bekommt.
Am nächsten Tag haben wir uns an die Besteigung des Gayiri-Hügel gemacht, von wo aus man einen sehr schönen Blick auf Pushkar samt See und die wüstenhafte Gegend hat, die auf Grund des bereits begonnen Monsuns dabei ist zu ergrünen. An den frischen Zweigen erfreuten sich auch etliche Ziegen, die den Berg bevölkerten und an denen sich Joga als Ziegenpeter versuchte ;-).
Von Pushkar sind wir mit dem Zug nach Udaipur weitergereist. Da wir mittlerweile etliche tausend Kilometer mit der indischen Eisenbahn zurückgelegt haben, hier mal ein paar Zahlen und Fakten aus unserem Reiseführer über dieses beachtliche Unternehmen.
Die indische Eisenbahn in Zahlen:
Mit einem Schienennetz von 63.327 km Länge hat Indien das zweitlängste Eisenbahnnetz der Welt. 8000 Lokomotiven sorgen täglich für den Transport von etwa 26 Millionen Fahrgästen. Jeden Tag benutzen über 15.000 Zugverbindungen das Schienennetz. Mit rund 1.7 Millionen Beschäftigten ist die indische Eisenbahn der grösste Arbeitsgeber der Erde. Leider gibt es auch ein paar Zahlen auf die das indische Verkehrsministerium weniger stolz sein kann. Jährlich passieren nämlich über 600 Unfälle (mit 800-900 Todesopfern), ca. 15.000 Menschen sterben beim Überqueren der Gleise und genauso viele weil sie von den Dächern der Züge fallen oder mit Masten kollidieren. Damit gilt die indische Eisenbahn weltweit als die gefährlichste. Zugreisende können sich aber trösten: Es ist wesentlich sicherer, die Bahn als den Bus zu nehmen, den laut offizieller Statistik sterben jeden Tag durchschnittlich 356 Menschen (130.000 im Jahr) im Strassenverkehr.
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