Potosi
2. Januar 2012Auf dem Machu Picchu haben wir eine Holländerin – Cindy – kennengelernt, die wir in Sucre wieder getroffen haben, vor allem hat sie auch noch im gleichen Zimmer wie wir geschlafen. Nachdem wir ins Gespräch gekommen sind, hat sie mir erzählt, dass sie morgen nach Potosi fahren, eine Nacht dort verbringen und sich die Minen anschauen möchte. Potosi liegt auf 4.200m und ist somit eine der höchsten Städte der Welt. Joga hatte noch Probleme mit der Verdauung, und da er die Höhe sowieso nicht so gut verträgt, hab ich mich Cindy angeschlossen, während er im Hostel geblieben ist und einen Tag sturmfrei hatte.
Also hab ich meine Sachen gepackt und bin am nächsten Tag zusammen mit Cindy mit dem Bus nach Potosi gefahren. Unterwegs hat es ziemlich heftig anfangen zu regnen und da der Bus nicht wirklich dicht war, ist bei jeder Kurve das Wasser reingeschwappt. In Potosi angekommen, haben wir uns erst mal ein Hostel gesucht. Laut Lonely Planet ein Tipp – tolles altes Gebäude mit Innenhof, mitunter aber die schlechtesten Betten und so ziemlich die ekeligsten Toiletten, so dass wir uns schon überlegt hatten, Nachts in eines der freien Doppelzimmer, welche viel besser aussahen, leider aber auch viel teurer waren, zu schleichen. Nach dem Einchecken haben wir uns verschiedene Agenturen, die Minentouren anbieten angeschaut, bis wir auf „The Big Deal“ gestossen sind – eine Agentur, die von Ex-Minenarbeitern geführt wird. Wie sich im Nachhinein rausstellen sollte, die absolut richtige Entscheidung. Danach hatten wir erst mal Hunger. Die Jungs vom Big Deal haben uns dann gleich noch einen Tipp gegeben, wo man günstig und gut bolivianisch essen kann. Menü des Tages – einen Salat, eine Suppe (Quinuasuppe, die werde ich vermissen), Alpakasteak mit Pommes und nochmal Salat und ein Fruchtsalat mit Joghurt und das Ganze für 30 Bolivianos = 3,30 €! Eigentlich wollten wir dann noch zum Inka del Ojo, eine natürliche Thermalquelle in einem Vulkankrater. Da es aber schon fast zu spät war um dann auch noch einen Bus nach Potosi zurück zu bekommen und es angefangen hat zu regnen und dazu noch verdammt kalt war, naja wir waren immerhin auf 4.200m, haben wir uns in ein Cafe/Restaurant gesetzt mit mehreren Öfen – eine Seltenheit in Bolivien. Kuschelig warm und vollgestopft mit Schokofondue und weiteren Leckereien haben wir dann dort über 5 Stunden teetrinkend und tratschend verbracht.
Am nächsten Morgen war Treffpunkt in der Agentur von The Big Deal für unsere bevorstehende Minentour. Von dort aus ging‘s dann erst mal zum Markt, auf dem sich die Minenarbeiter mit allem Notwendigen versorgen. Dort hatten wir auch die Möglichkeit, Dynamit – übrigens der einzige Ort auf der Welt an dem man offiziell ohne Ausweis das Zeug kaufen kann – Fruchtsäfte und Kokablätter als Geschenk für die Minenarbeiter zu kaufen. Danach wurden wir dann mit den notwendigen Schutzkleidungsstücken ausgestattet. Sehr aufmerksam, in der Agentur hatte ich noch erwähnt, dass ich Schuhgrösse 36 hab und die Guides haben prompt noch ein kleines Paar für mich gekauft. Leider wurden ihnen zwei linke Schuhe angedreht, so dass ich dann doch mit 38er Gummistiefel und einem gebrauchten Paar dicker Socken losmarschiert bin. Zu Beginn der Exkursion haben wir uns die Fabriken angeschaut, in denen das Silber vom Stein getrennt wird. Ganz schön fiese Chemikalien, die dort verwendet werden, dort zu arbeiten kann auf jeden Fall nicht gut für die Gesundheit sein. Danach ging‘s dann hoch auf den Cerro Torre, der Berg, in dem das Silber geborgen wird. Ganz zu Beginn, war eigentlich eine der bewegendsten Erlebnisse. Die Minen von Potosi sind keine „Tourismusminen“, sondern aktive Minen, in denen immer noch Silber geborgen wird. Wir wollten in die Minen, aber es wurden gerade zig Wagen voller Gestein aus den Minen mit reiner Körperkraft und bis zu einer Tonne schwer rausgeschoben. Das Schlimmste war, in die Gesichter der Minenarbeiter zu schauen, die völlig am Ende waren, Backen Tennisballgross vollgestopft mit Kokablättern. Darunter waren 12 jährige Jungen, die von ihren Gesichtszügen wie alte Männer aussahen. Nachdem die ersten Wagen draussen waren, ging es für uns in die Minen. Zum Teil aufrecht laufend, zum Teil gebeugt, zum Teil aber auch fast kriechend ging es durch die Stollen. Zum Glück hab ich keine Platzangst; was mich allerdings doch sehr beunruhigt hat, waren die gebrochenen Holzbalken an der Decke, die zur Abstützung der Stollen dienen sollten. Immer mal wieder mussten wir uns an die Stollenwand drücken, da Wagen voller Gestein mit Silber nach draussen befördert wurden. Bis zu einem Kilometer tief ging es in die Stollen. Darunter war ein Stopp beim Herrscher über die Minen, für den regelmässig Lamablut und Kokablätter geopfert werden. Auch wir haben zweimal auf den Herrscher 98% Alkohol getrunken und Pachamama (Mutter Erde) gespendet. Wichtig ist, immer zweimal! da alles zweimal vorkommt, zwei Augen, zwei Arme, zwei Herzen – sobald wir unseren Partner gefunden haben, eigentlich eine sehr schöne Denkweise. Danach ging es richtig tief in die Stollen. Es ist unglaublich unter welchen Bedingungen die Menschen hier arbeiten müssen. Doch es kam uns so vor, wie wenn wir Touris mit den Geschenken eine willkommene Abwechslung in ihrem Leben sind. Die Wände voller Sulfat, das Wasser in dem wir gelaufen sind, verseucht, haben wir nach fast 3 Stunden wieder das Tageslicht erblickt. Nach einer illegalen Dynamitsprengung ging es wieder Richtung Potosi. Wir haben Touristen gesehen, die mit “richtigen Touristenorganisationen“ in die Minen sind, die allerdings danach kreidebleich und ziemlich geschockt rauskamen.
Ich muss sagen, es war für mich eine der krassesten Erfahrungen auf dieser Reise, doch dank Ephrahim – unser Guide, der selbst mit 12 Jahren angefangen hat in den Minen zu arbeiten – war es auch eine tolle Erfahrung, da er selbst voller positiver Energie von SEINEN Minen ja fast geschwärmt hat und ohne die Minen nicht leben kann und dies mit solch einer unglaubliche Freude rübergebracht hat.
Danach ging es wieder zurück nach Sucre.