Varanasi
12. Juli 2013Von Sikkims nächstgelegenstem Bahnhof New Jalpaiguri gibt es zwar einen Direktzug nach Agra, doch neben den 31 Stunden Fahrtzeit – ohne Verspätung – kommt man ungünstiger Weise mitten in der Nacht in der Stadt des Taj Mahals an. So haben wir uns dazu entschieden, die Etappe auf zweimal zu machen und einen Zwischenstopp in Varanasi einzulegen, wo wir ja bereits im Januar waren. Aus einem Zwischenstopp wurden 11 Tage, da uns die Stadt einfach wieder in ihren Bann gezogen hat. Dieses Mal durften wir sie von einer ganz anderen Seite erleben. Unser letzter Aufenthalt war zur Zeit der Kumbh Mela, weswegen zusätzliche 4-6 Millionen Pilger sich in der Stadt aufhielten, so dass uns die ganzen kleinen verwinkelten Gassen unglaublich leer vorkamen. Was dieses Mal aber absolut fesselnd und spannend zu beobachten war, war die anschwellende Lebensader Ganges. Durch den verfrüht eingesetzten und verehrend starken Monsun im Norden Indiens, kamen nun die Wassermassen in Varanasi an. Jeden Tag wurden mehr und mehr der Ghats vom Wasser bedeckt, die Stufen versanken, Sardus mussten ihre Schlafplätze räumen, Betonsonnenschirme (siehe Fotodokumentation) wurden verschluckt, der Fluss wurde breiter und breiter und die Strömung stärker und stärker. Die Besonderheit von Varanasi ist, das nur eine Flussseite bebaut ist und dieser sich somit bedenkenlos ausbreiten kann, da auf der anderen Seite genügend Schwemmland vorhanden ist. Nach 5 Tagen waren alle Ghats mit Wasser bedeckt, so dass gar kein Durchkommen am Ufer mehr möglich war. Während der Dauer unseres Aufenthaltes stieg der Fluss um ca. 5 Meter an, ein ganz natürlicher Prozess, der sich jedes Jahr wiederholt und die nächsten zwei Monate soll der Pegel wohl noch um weitere 4-6 Meter ansteigen. An manchen Tagen konnten wir einen Wasseranstieg bis zu einem Meter pro Tag registrieren, das auch das ein oder andere nicht mehr ganz Lebendige mit sich führte. So schwammen etliche tote Kühe und bizarrer Weise auch zwei Wasserleichen an unserem Hotel vorbei – eine davon hatte sich an etwas verfangen und hing für ein paar Stunden direkt vor unserem Balkon fest.
Bei unserem letzten Aufenthalt in Varanasi hatten wir das Glück Goblan den Milchbauer kennenlernen zu dürfen. Bei unserer Verabschiedung im Januar meinte er, wir sehen uns bestimmt noch einmal wieder in unserem Leben und so schien er absolut nicht erstaunt, als wir plötzlich vor ihm standen, um ihn zu besuchen, aber gefreut hat er sich riesig. Und so sassen wir auch dieses Mal etliche Stunden auf dem Steinbänkchen vor seinem Haus, haben Chai getrunken und seine drei Kühe geknuddelt und gestreichelt – schwangere Grossmama-Kuh, Mama-Kuh und Kälbchen.
Ein Hauptgrund unseres längeren Aufenthaltes in Varanasi als geplant, waren hauptsächlich auch Freunde und neue Bekanntschaften. So haben wir gleich zu Beginn Eva und Stephan kennengelernt, die beide in Tübingen wohnen. Ausserdem kamen unsere beiden chilenischen Chicas Josefa & Francisca nach ein paar Tagen nach Varanasi und da die beiden ja etwas verplant sind, haben wir ihnen durch das Chaos der engen Gassen geholfen und dann kam noch Allan dazu, ein Australier, den wir auch in Sikkim kennengelernt haben, Marianna eine US-Mexikanerin, Jayden ein Kanadier und Hamid ein Inder, … so dass wir zum Schluss ein absolut grosser bundgemischter Haufen waren. Mit den ganzen Leuten haben wir dann auch so einiges unternommen, wie eine Tour zum Assi-Ghat – eine der bedeutendsten Ghats ganz am Ende der Stadt, einem Ausflug zur Uni, sowie eine illegale Bootstour, da auf Grund des gestiegenen Wasserlevels der komplette Schiffsverkehr auf dem Ganges eingestellt wurde. Und zu all unseren Essenshighlights, wie dem Megu Cafe, mit der besten Sushi Roll, dem Dosa Cafe, unser neuer Geheimtipp für fantastische Dosas und dem Blue Lassi mit den leckersten Lassi-Kreationen von wahrscheinlich ganz Indien haben wir auch noch alle geführt. Wir Mädels gingen zusammen auf Shopping-Tour, wobei ich ihnen “meinen“ Hosenverkäufer gezeigt habe. Ein total netter Shop Besitzer, der einem im Gegensatz zu allen anderen nichts aufdrängen möchte und von Anfang an faire Preise, ohne langwieriges Verhandeln macht. Neben neuen Hosen und Oberteilen, gab es in dem Miniladen noch ein Bad in all den schönsten Farben schillernden Seidenschälen. Joga und ich haben uns mit Indischem Blechgeschirr eingedeckt (8kg-Päckchen), um zu Hause authentische Thalis zu kochen und servieren zu können.
Nach dem alle Sightseeing-Events abgeklappert, alle Läden “leergeshoppt“ und uns zweien auch mal wieder der Sinn nach trauter Zweisamkeit stand, sind wir mit dem Nachtzug weiter nach Agra gereist, um das langersehnte Wahrzeichen Indiens zu bestaunen.