Mumbai
29. Dezember 2012Nach einer recht schaukligen Nacht im Bus, sind wir am Heiligabend früh morgens in Mumbai angekommen, da wir dort die Weihnachtsfeiertage verbringen wollten. Die Hotelpreise in dieser Metropole sind recht hoch, die Bewertungen im Internet aber aller recht schlecht, so dass wir uns mit unserem Gepäck ins berühmte Café Leopold gesetzt haben, von wo aus Joga los ist und sich mehrere Unterkünfte im Stadtteil Colaba angeschaut und auch was vernünftiges gefunden hat. Das Café Leopold war einer der Attentatsorte von den Anschlägen im November 2008, wo unter anderem 10 Menschen im Leopolds erschossen wurden. Die Einschusslöcher sind heute noch sichtbar, ausserdem kannten wir das Cafe auch aus dem Buch “Shantaram“, das wir beide gelesen hatten.
Zur Feier des Tages gab es heute ein Weihnachtsmenü beim McDonalds. Da wir uns aber im Land der heiligen Kühe befinden, gibt es kein Burger mit Rindfleisch auf der Karte und der Big Mäc wird somit mit Hühnchen Fleisch serviert und heisst auch Maharadscha Mäc. In vielen Bundesstaaten in Indien ist Alkohol trinken verboten und wenn man doch mal eine Kneipe findet, lädt diese nicht dazu ein, gemütlich ein Bier trinken zu gehen, da es den Indern nur darum geht, möglichst schnell betrunken zu werden. So sind wir mittlerweile ziemlich aus der Übung und haben sogar auf das obligatorische “Heiligmorgenbier“ verzichtet. Wenigstens abends wollten wir uns dann ein Hopfengetränk gönnen, vor allem da es in Mumbai zum ersten Mal auch anständige Bars & Kneipen gibt. Doch auf die Idee kam heute wohl ganz Mumbai und so waren vor allen Lokalitäten lange Warteschlangen und es wurde wieder nichts aus unserem Bier. Richtige Weihnachtsstimmung wollte bei ca. 30 Grad sowieso nicht aufkommen und so haben wir für den nächsten Tag eine organisierte Tour durch Dharavi, einer der grössten Slums Asiens gebucht.
Der Slum befindet sich in der Nähe des Bahnhofes, um von Colaba aus dort hinzukommen, mussten wir Mumbais S-Bahn benutzen, die dank Weihnachten aussergewöhnlich leer war. Ein Auszug aus unserem Reiseführer, wie es hier normalerweise zugeht:
Die überfüllteste S-Bahn der Welt
Die S-Bahn Mumbais ist ganz offiziell die überfüllteste weltweit. Keine andere Linie befördert so viele Passagiere und zwängt so eng zusammen. Zu Stosszeiten kann es durchaus vorkommen, dass in einem Zug mit 9 Waggons – der offiziell 1700 Plätze hat – bis zu 4700 Personen fahren, was die Mitarbeiter der Bahngesellschaft in typisch lockerer Mumbai-Manier gerne als „Super-dense Crush Load“ bezeichnen. Dabei kommen auf einen Quadratmeter 14 bis 16 stehende Passagiere, von denen natürlich nicht alle auf dem Boden stehen können. Etwa 10% baumeln waghalsig an den offenen Türen.
Der am stärksten ausgelastet Abschnitt, die 60km zwischen Bahnhof Churchgate und Virar in Nord-Mumbai, wird pro Jahr von 900Mio. Menschen genutzt – das ist weltweiter Rekord. Tödliche Unfälle sind hier nur allzu häufig: Durchschnittlich sterben im Jahr 3500 Menschen auf den Gleisen. Sie stürzen aus den Türen, werden von vorbeifahrenden Zügen erfasst oder bei der Fahrt auf dem Dach von Stromleitungen getötet.
Dharavi
Auf 2,2km2 leben über eine Million Menschen, die es eigenständig geschafft haben, sich so gut zu organisieren, dass es fast keine Arbeitslosigkeit gibt. Durch die Gründung von 15.000 Minifabriken, in denen unter anderem Plastikabfälle, Aluminium, Seifenreste und Lederwaren recycelt, wieder aufgearbeitet und an grosse Konzerne weiterverkauft werden, erwirtschaftet der Slum mittlerweile 1,4 Milliarden US$ pro Jahr und gilt somit laut der britischen Zeitung Observer “als eines der vorbildlichsten Wirtschaftsmodelle Asiens“. Auch wenn die Menschen unter einfachsten Bedingungen leben, so teilt sich oftmals eine 5-köpfige Familie ein 10m2 Zimmer und auf ca. 1.400 Slumbewohner kommt eine Toilette, was wohl morgens enormes Schlange stehen bedeutet, ist es erstaunlich sauber und nicht wie vermutet “übelreichend“, trotz der offenen Abwasserkanäle. Da die Menschen hier in Communities zusammenleben und sich gegenseitig helfen, zusammen lachen und feiern, herrscht hier eine unglaublich tolle Atmosphäre. Einige der Bewohner haben es mittlerweile zu Wohlstand gebracht, zu sogenannten Rupie-Millionären, doch bevorzugen sie es weiterhin in der Gemeinschaft des Slums zu wohnen, anstatt in moderne, anonyme Wohnungen zu ziehen – selbst wir wären am liebsten für eine Woche in den Slum gezogen.
Allgemein ist Mumbai komplett anders als wir es uns vorgestellt hatten. Wir dachten Mumbai ist ein total überfüllter, dreckig-stinkender Moloch, doch dem ist nicht so. Mit seinen alten Kolonialgebäuden, den breiten Strassen und der Lage am Meer fühlen wir uns sehr wohl in dieser recht westlich angehauchten Stadt, zu deren Sehenswürdigkeiten das Gateway of India, das Haji-Ali Mausoleum, der Bahnhof Victoria Station, der Crawford Market und das Mahatma Gandhi Haus gehören. Hier hängt übrigens ein recht interessanter Brief den Gandhi an Hitler geschrieben hat und ihn darum bittet, “…anstatt auf Krieg zu setzen lieber einen gewaltlosen Weg zu beschreiten.“
Ein weiter Besonderheit Mumbais sind die Dabawallahs, das sind Lunch-Boxen Austräger die sich in der 20,5 Millionen-Metropole um das Mittagessen der Pendler kümmern. Hierzu ein Auszug aus unserem Reiseführer:
Dabawallahs
Mumbais Ausdehnung und die unpraktische Anlage der Stadt bescheren der arbeitenden Bevölkerung alle möglichen Unannehmlichkeiten – nicht zuletzt, weil sie Tag für Tag mehr als vier Stunden in öffentlichen Verkehrsmitteln stecken muss, die sich im Schneckentempo bewegen. Über eines jedoch müssen sich die Pendler keine Sorgen machen: darüber, wie sie an billiges, sättigendes und hausgemachtes Mittagessen kommen. In der Stadt, die für alles wallahs hat, findet das Essen zu den Hungrigen. Dafür sorgen die Mitglieder des Nutan Mumbai Tiffin Box Suppliers Charity Trust (NMTSCT), allgemein unter dem liebevollen Begriff dabawallahs bekannt. Jeden Tag bringen ungefähr 5000 Dabawallahs frisch zubereitete Gerichte aus 200.000 Vorstadtküchen bis zu 70km weit in die Büros der Innenstadt. Jedes Lunchpacket wird in aller Früh von einer liebenden Ehefrau oder Mutter zubereitet, während Ehemann oder Sohn die qualvolle Enge im Pendlerzug ertragen. Sie verteilt den Reis, dhal, subzi, Joghurt und parathas in zylindrische Aluminiumbehälter, steckt sie ineinander und verschliesst das Essgeschirr mit dem ordentlichen kleinen Henkel. Diese einem schlanken Farbeimer nicht unähnliche Tiffin Box ist der Dreh- und Angelpunkt der gesamten Operation. Wenn am Vormittag der Bote kommt, kennzeichnet er den Deckel mit einem bestimmten Farbcode, der ihm sagt, für wen das Mittagessen bestimmt ist. Am Ende seiner Runde bringt er sämtliches Geschirr zum nächsten Bahnhof und händigt es den anderen Dabawallahs zwecks Beförderung in die Stadt aus. Auf dem Weg von der heimischen Küche zum Empfänger wandert die Tiffin Box durch mindestens ein halbes Dutzend Hände, wird auf Köpfen balanciert, baumelt an Schulterstangen oder Fahrradlenkern und schaukelt in den bunt gestrichenen Handkarren, die sich halsbrecherisch ihren Weg durch den Mittagsverkehr bahnen. So gut wie nie geht eine Büchse verloren – das amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes beschied Mumbais Dabawallahs eine 100% Zuverlässigkeit, d.h. nur eine von 16 Millionen Tiffinboxen geht verloren, und dies obwohl die meisten Dabbawallahs Analphabeten sind.
Fast alle Mitarbeiter stammen aus einem kleinen Dorf bei Pune und sind miteinander verwandt. Sie kassieren von jedem Kunden 350-400Rs, macht insgesamt rund 5000-6000Rs (70-85€) im Monat – kein schlechtes Einkommen für indische Verhältnisse. Ausserdem zahlt die Organisation auch Krankengeld und Rente. Der Preis ist einer der Gründe, dass sich dieses System noch immer gegen die starke Fastfood-Konkurrenz behaupten kann. Da ein daba-Mittagessen immer noch ein gutes Stück billiger ist, sparen die Werkstätigen der Mittelschicht, die sich dieses Systems bedienen, wertvolle Rupien.
Auch kulinarisch hat Mumbai einiges zu bieten. So kommen beispielsweise am Wochenende die reichen Vorstädter mit ihren schicken Autos in die Stadt, um im Bademiya – einer Institution in Colaba – zu schlemmen. Da das Restaurant an sich recht klein ist, wird kurzerhand die Motorhaube als Tisch umfunktioniert und mit gegrilltem Kebab Fleisch beladene Teller darauf drapiert. Wir hatten zwar kein Auto, aber lecker war das Fleisch auf alle Fälle :-).
Eines der Must-Do`s in Indien ist der Besuch eines Kinos, um sich einen Bollywood-Film anzuschauen und Mumbai als Hochburg des Filmgeschäfts bietet sich hierfür natürlich an. So haben wir uns 2 Kinokarten im Regal Kino für den Film „Dabangg 2“ gekauft.
Download Film-Trailer
Im Foyer wurde übrigens gross Werbung für RAUCH Saft gemacht – Made in Austria (Germany)! Zwar haben wir kein Wort des Films verstanden, da er auf Hindi war, doch war es trotzdem reines Vergnügen. Die Art des Filmens, die Gesten der Schauspieler und die Tanz- und Gesangseinlagen, zaubern einem ein Dauergrinsen aufs Gesicht und es macht wahrlich Spass solche Filme anzuschauen. Einziger Nachteil ist die Temperatur des Kinosaals, die winterliche Ausmasse hat und sich somit alle Zuschauer in der Pause um die warmen Popcorn-Maschinen versammelt haben.
Nach 5 Tagen ging es mit einem Tourist-Quota Zugticket – Zugtickets die auf Hauptreiserouten speziell für Ausländer reserviert sind – weiter nach Delhi.
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