Udaipur
3. August 2013Am ersten Tag nach unserer Ankunft hatte Daisy einen Tag frei, da sie die meiste Zeit auf der Toilette verbrachte. Ich hab mir solange die Stadt angeschaut und versucht mich zu orientieren und an meinen letzten Besuch zu erinnern. Nach dem bei ihr dann alles raus war, was raus wollte ging es ihr wieder besser und so stand unserem Programm nichts mehr im Wege. Den am nächsten Tag war mein Geburtstag (schon der zweite auf der Reise) und als Leckerli haben wir uns wieder eine Enfield ausgeliehen und sind in das ca. 100km entferne Ranakpur gefahren. Der Weg aus der Altstadt bis auf den Highway war nicht so einfach zu finden da es hier natürlich keine Strassenschilder gibt, zumindest keine, die wir lesen können. So mussten wir mehrmals nach dem Weg fragen, und einmal stand Doris vor einem kleinen Laden mit zwei älteren Damen die natürlich kein Wort Englisch verstanden, ihr den Weg aber ausführlichst auf Hindi erklärten. Glücklicherweise kam gerade ein junger Inder auf seinem Scooter vorbei der sich dachte: “Was macht das Mädel da vor dem Laden – die können doch gar kein Englisch!?!“ Also hat er prompt umgedreht und für uns den Dolmetscher gespielt, nach dem Austausch von unseren Facebook-Kontakten und einem Erinnerungsfoto gab‘s als Gastgeschenk von Vicky für Daisy noch Glas-Armreifen vom Shop der zwei älteren Damen! Was für ein netter Kerl!
Nach 2,5 Stunden Fahrt haben wir dann den wunderschönen Jain-Tempel in Ranakpur erreicht. Leider kamen wir ca. 15min zu spät zum Essen. Es ist nämlich möglich in der Pilger-Kantine Thali zu essen. Eigentlich funktioniert das so – man bezahlt einen Fixpreis, setzt sich an einen freien Platz auf der Bank, bekommt ein Blechteller und ein paar Schüsselchen und dann so viel Reis, Fladenbrot und verschiedene Currys wie man will. Als Zeichen, dass man nichts mehr möchte, muss man das Schälchen umdrehen – ansonsten wird einem alles ständig wieder aufgefüllt.
Den Tempel in Ranakpur habe ich auf meinem letzten Indien-Trip bereits besucht, doch diese Mal während der Regenzeit erscheint der weisse Marmortempel in mitten eines grünen Tals noch viel imposanter. In dem Tempel der Jain-Religion die jegliches Leben respektiert und streng vegan lebt, sind selbst tierische Produkte verboten, also muss man zum Beispiel seinen Ledergürtel oder auch seinen Geldbeutel am Eingang abgeben. Da es, während wir im Tempel waren, bereits angefangen hat zu regnen, haben wir uns nach einer kurzen Wartepause auch wieder auf den Rückweg gemacht. So sind wir abends durchnässt wieder in Udaipur angekommen und haben uns zur Feier des Tages nach einer heissen Dusche ein schickes Restaurant direkt am See gegönnt.
In Südindien hatten wir bereits einen Kochkurs gemacht. Da sich aber die Nordindische Küche sehr stark unterscheidet, wollten wir uns auch hier in die Geheimnisse einweihen lassen und sind bei Shashi`s Kochschule gelandet. Sie ist eine 47 Jahre alte Witwe, die in einem kleinen Dorf auf dem Lande aufgewachsen ist. Im Alter von 19 Jahren wurde sie verheiratet und kam nach Udaipur, kein Wort Hindi sprechend, so dass sie sich zu Beginn noch nicht einmal mit ihrem Mann unterhalten konnte. Nach 14 Jahre Ehe und zwei Söhnen ist ihr Mann verstorben. Da sie selbst zur höchsten Kaste der Brahmanen zählt, gibt es sehr strenge Verhaltensregeln für eine Witwe. So durfte sie beispielsweise ein Jahr lang das Haus nicht verlassen und musste in einer Ecke des Raumes sitzen, ihr Gesicht dabei vollständig bedeckt. Während der Zeit kamen jeden Tag Frauen, um mit ihr zu weinen. Als Brahmanin ist es verboten ein zweites Mal zu heiraten und als Frau ist es oftmals schwierig Geld zu verdienen. Einer ihrer Söhne hatte sich mit einem Touristen angefreundet, den er ein paarmal zum Essen nach Hause eingeladen hatte und der von Shashi`s Kochkünsten beeindruckt war. So entstand die Idee einer Kochschule. Auch hier zu Beginn kein einziges Wort Englisch sprechend, hat sie sich im Laufe der Zeit die Sprache von Touristen beibringen lassen und spricht sie mittlerweile richtig gut. Es ist absolut bewundernswert, was sie sich aufgebaut hat und welche Unterstützung sie dabei bekam. So wurde ihr eine Homepage von einem Portugiesen programmiert, ihre Rezepte von Hindi ins Englische übersetzt, ihr Kochschürzen geschenkt und ein Buch über sie erstellt. Irgendwann kamen zwei Jungs vom Lonely Planet, so dass sie mittlerweile in allen Reiseführern aufgeführt ist (was wir nicht wussten, da wir keinen LP benutzen) und sie nun täglich 2 Kochkurse mit jeweils bis zu 6 Teilnehmern gibt. Dank Low-Season hatten wir das Glück einen “privaten“ Kochkurs nur für uns zwei zu bekommen und es hat sich absolut gelohnt. Shashi ist eine sehr bemerkenswerte Frau, mit der wir super viel Spass beim Kochen hatten, aber auch richtig viel lernen konnten. Insgesamt haben wir über 5 Stunden indische Leckereien gekocht, wie Chai, AlooPakora, mix. Veg Pakora, dazu Mango- und Korianderchutney, veg. Pulao, Paneer Butter Masala, Naan mit Cheese Tomato-Dip, plain Chapatti, Parantha, stuffed Parantha und als Nachtisch noch ein sweet Parantha. Und alles sollten wir danach aufessen, was absolut unmöglich war.
Udaipur ist sehr stolz auf seinen James Bond Film Octopussy. Dieser spielt zur Hälfte in der Stadt, unter anderem im Lake Palace und deshalb kann man in jedem zweiten Restaurant den Film jeden Abend auf Grossbildleinwand anschauen. Der Lake Palace ist ein wahrhaftiger Märchenpalast inmitten eines Sees, der zur Abendzeit traumhaft beleuchtet ist. Als arbeitslose Weltenbummler ist es uns allerdings nur gegönnt, diesen von weitem zu bestaunen, da dieser mittlerweile als Hotel für betuchte Gäste dient. Den Stadtpalast zu besichtigen, ist allerdings für jedermann möglich und so haben wir uns angeschaut, in welchem Luxus die früheren Maharadschas gelebt haben.
Nach 6 Monaten Indien hat Daisy es endlich mal geschafft, sich traditionell „schmücken“ zu lassen. Für Hochzeiten oder Festlichkeiten jeder Art verzieren sich Inderinnen ihre Hände mit wunderschönen Heena-Zeichnungen und auch ihr Künstler hat auch ihr sehr kunstvolle Ornamente auf die Hände gezeichnet. Das Ganze bleibt dann für ca. eine Woche auf der Haut, bevor es anfängt zu verblassen.
Viele Touristen kaufen sich kunstvolle Patchwork-Arbeiten, Gemälde und Co., wir sind mehr fürs Praktische. So gibt es hier eine geniale Zitronenpresse für gerade mal einen Euro, die sicherlich einen festen Platz in unserer Küche finden wird. Ausserdem haben wir uns mit traditionellen Chai-Gläsern (10Stück für 0,65€) eingedeckt, mit denen einem an jedem Chai-Stand der Tee serviert wird. Um alle Shopverkäufer mit Chai zu versorgen, gibt es einen Metallträger in den die vollgefüllten Gläser reingestellt und vom Chai-Wallah (Chai-Laufburschen) verteilt werden. Um so einen Träger zu bekommen, haben wir uns einmal durch die halbe Stadt durchgefragt, wohl kein gewöhnliches Souvenir, doch sind wir nun stolze Besitzer eines solchen Drahtgestells und jeder unserer zukünftigen Gäste wird mit dem indischen Nationalgetränk begrüsst. Der Träger wurde uns von Monu organisiert, ein Schneider an dessen Shop wir täglich in die Stadt vorbeilaufen mussten und der wohl schrägste und englisch schnellsprechendste Inder, den wir je kennengelernt haben. Dieser hat uns dann auch das Royal Palace zum Abendessen empfohlen, wo wir einen sehr lustigen Abend mit ihm bei Bier verbrachten.
An unserem letzten Tag haben wir es dann tatsächlich noch geschafft, eine Bootstour auf dem Picolalake zu unternehmen, da wir die Tage davor uns immer mit Monu verquatscht hatten. Auf dem Weg dorthin haben wir uns bei einer Bakery noch schnell einen Kuchen zwischen die Backen geschoben und beim Pipi machen ein sehr witziges Schild auf dem winzigen Klo entdeckt, mit der Aufschrift „Try shitting sideways“.